Český a slovenský zahraniční časopis  
     
 

Únor 2009


„Man muss Moskau Grenzen setzen“. Interview mit Karel Schwarzenberg

Constantin Magnis

Er ist der ungewöhnlichste Außenminister Europas: Fürst Karel Schwarzenberg vertritt Tschechien, hat einen Schweizer Pass, umarmt Deutschland und stichelt gegen Moskau. Constantin Magnis traf ihn zum offenen Gespräch in Prag.

Fürst Schwarzenberg, sie führen eine durchwachsene Beziehung mit Präsident Vaclav Klaus, der nie wollte, dass sie Außenminister werden. Arbeiten sie trotzdem gut zusammen?

Er ist das Staatsoberhaupt, und ich zolle ihm den gebührenden Respekt. Wir haben verschiedene Ansichten, aber Klaus musste früh feststellen, dass er eine Medienschlacht gegen mich verlieren würde. Seitdem er das weiß, haben wir ein völlig korrektes Verhältnis. Und überhaupt: Staatsoberhäupter, das Klima und Verwandte, die hat man, und sollte nicht zu lange darüber nachdenken.

Im Januar übernimmt Tschechien die EU Ratspräsidentschaft. Vaclav Klaus hat unverdrossen eine Verschiebung des Urteils zum Lissabon Vertrag erzwungen, weigert sich stur ihn zu ratifizieren und macht damit Tschechien neben Irland zum letzten Widerständler in der EU. Ist ihr Land im Vorsitz des EU Rates so noch glaubwürdig?

Also Pardon, Deutschland hat selbst noch nicht endgültig ratifiziert, auch da wartet man noch auf ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes, wir tun dasselbe. Und wie sagt man so richtig: Den Kuchen beurteilt man nach dem Essen. Dass momentan viele Gerüchte in die Welt gesetzt werden, ist mir bekannt. Das war bei Slowenien damals genauso.

Müssen sie als Chefdiplomat des Landes die Sturheit ihres Staatsoberhauptes ausbaden?

Ach! Ich glaube Klaus ist bestens für seine Ansichten bekannt, meine Kollegen nehmen mir das nicht krumm. Er befolgt nur eine alte Regel des Showbusiness: Hauptsache in den News bleiben. Und mit Verlaub gesagt, welcher europäische Präsident außer Sarkozy ist so oft in den Medien wie Vaclav Klaus? Er wird auf der ganzen Welt zu gut bezahlten Vorträgen eingeladen, als Staatsoberhaupt hat er den Ehrendoktor, ja verdammt noch mal, welchen Grund hätte er, eine andere Position einzunehmen?

Offensichtlich keinen, im Gegenteil: Er hat die EU bereits mit dem Münchner Abkommen verglichen, nach dem die erste Prager Republik den Nazis von den europäischen Großmächten zum Fraß vorgeworfen wurde. Geht er damit zu weit?

Ja, bedauerlicherweise. Aber er Klaus ist, auch in seinen besten Zeiten, ein hochbegabter Populist, das kann ich nicht bestreiten. Er erinnert mich oft an ein politisches Enfant Terrible, das ich sehr gut kannte, auch wenn er ideologisch ganz anders gelagert war, nämlich Franz Josef Strauss. Ein brillanter Mann, der damals auch sehr schwer verdauliche Sprüche losgelassen hat. Aber in bayrischen Wirtshäusern hat man ihm dazu sehr applaudiert.

Applaudieren die Tschechen ihrem Präsidenten?

Nun, man darf nicht vergessen, dass die EU mit ihrer Bürokratie hier vielen gehörig auf den Wecker geht. Die EU ist weder von Außen gefährdet, noch von bestimmten Politikern, sondern deshalb, weil sie sich völlig von den täglichen Sorgen des Bürgers entfernt. Weil sie nicht imstande ist, wesentliche Probleme wie die gemeinsame Energiepolitik zu lösen, sondern sich lieber damit befasst, Käsenamen zu normen. Deshalb ist es eine Illusion anzunehmen, dass sich die Menschen auf der Straße dafür interessieren würden. Nur eines stellt man fest: Dass fast jede Regierung, nachdem sie die Präsidentschaft hatte, abgewählt wurde.

Darauf müsste Klaus sich doch fast freuen. Wirft er den Bemühungen der EU-Befürworter nicht auch Stöcke zwischen die Beine, um seinen Rivalen, Ministerpräsident Topolánek zu demütigen?

Es ist nicht zu bestreiten, dass es zwischen den Beiden einen lange schwelenden Konflikt gibt. Aber ich bin bitte sehr kein Psychiater, und kann die tiefere Motivation des Präsidenten nicht erforschen.

Das nächste Jahr wird im Schatten der Finanzkrise stehen. Wird das in Tschechien die integrationsfeindlichen Kräfte stärken, oder leuchtet den Menschen gerade jetzt die Notwendigkeit engerer europäischer Zusammenarbeit ein?

Sicherlich erfordern außerordentliche Situationen auch außerordentliche Maßnahmen. Aber Europa muss sich im Klaren darüber sein, dass staatliche Eingriffe auf die Dauer die Wirtschaft schwächen. Ich bin leider alt genug, um mich an die Reaktionen auf die Wirtschaftskrise der 30 Jahre, die dann nach dem zweiten Weltkrieg kamen, zu erinnern. Überall wurden schärfste protektionistische Maßnahmen ergriffen. Nur in Deutschland gab es einen bemerkenswert intelligenten Professor namens Ludwig Erhardt, der genau das Gegenteil durchsetzte. Das Resultat war, dass die Bundesrepublik nur 15 Jahre nach dem Krieg England, die Siegermacht, wirtschaftlich überholt hatte. Regulierungen in Wirtschaftskrisen sind wie Gips am gebrochenen Bein. Wenn wir den Verband zu lange anlassen, bekommen wir Muskelschwund. Davor habe ich die größte Angst: Dass aus Übergangsmaßnahmen ein Faulbett für die europäische Wirtschaft wird.

Kann Tschechien einen Beitrag dazu leisten, das zu verhindern?

Wir werden unser möglichstes tun, damit Notmaßnahmen, denen wir zustimmen, nicht länger als notwendig gelten sollen. Aber wir werden dabei die Hilfe wesentlicher, ähnlich gesinnter Staaten wie Deutschland brauchen. Uns trifft die finanzielle Krise weniger, weil unsere Banken bereist in den Neuzigern gekracht sind. Seitdem gibt es keine Banken mehr, die im tschechischen Eigentum sind. Die finanzielle Krise hat allerdings Wurzeln, die in die Tiefe gehen. Wir haben in den letzten 40 Jahren fast alle existierenden Tabus abgeschafft, religiöse, sexuelle, alles. Jede Gotteslästerung ist heute geschützt, und wenn ich morgen bekannt gäbe, dass ich ein florierendes Verhältnis mit einem Wittingauer Karpfen habe, wäre niemand empört. Man würde höchstens fragen, ob ich mich nicht dabei verkühle. Und nun wundern sich alle, dass auch im Finanzsektor alle Tabus über Bord geworfen wurden. Aber Moral lässt sich nicht staatlich regulieren, sorry.

Eines ihrer Hauptanliegen für die Ratspräsidentschaft ist die Unterstützung der Balkanstaaten auf dem Weg in die EU. Was macht die Region für sie zur ersten Priorität?

Wir vergessen gerne, dass seit Anfang des 19. Jahrhunderts viele große Konflikte des Kontinents im Balkan entstanden sind. Er ist die Weichseite Europas, und wenn wir seine Staaten nicht rasch integrieren, haben wir zwei Probleme: Erstens wird sich bald jemand anderes dort festsetzen, das ist oft genug in der Geschichte passiert. Und zweitens gibt es außerhalb der EU kaum eine Hoffnung, die vielen Krisenherde dort unten zu befrieden. Und damit hätten wir uns eine Bombe unter dem eigenen Arsch gelegt, wir bräuchten uns nicht zu wundern, wenn sie explodiert.

Wird das nicht eine ziemliche Herausforderung sein, die politische Kultur von, sagen wir mal dem Kosovo, EU-Kompatibel zu machen?

Bitte, bitte, keine pädagogischen Anfälle. Wir müssen doch nicht die dortige politische Kultur ändern. Sich jetzt als Schulmeister aufzuspielen, ist so ungefähr das Blödeste was wir machen können. Die Menschen dort sind nicht dümmer als wir. Sie haben ein viel härteres Leben hinter sich, aber sie sind nicht anders, als die westeuropäischen Nationen noch im 19ten Jahrhundert waren. Und wenn man schaut, was wir im letzten Jahrhundert angestellt haben, bitte, so glorreich waren wir nicht.

Aber bestimmte Voraussetzungen müssen doch erfüllt werden, beispielsweise Serbiens Zusammenarbeit mit dem internationalen Strafgerichtshof?

Na, das einzige Problem ist doch der unglückselige Kriegsverbrecher Mladić. Wo der sich aufhält, weiß ich leider auch nicht. Aber ich muss auch hier bitten, mit vorschnellen Urteilen etwas vorsichtiger zu sein. Wenn ich mir überlege, wie viele Mörder bei uns und ihnen nach dem 2. Weltkrieg völlig ungestraft davongekommen sind. Also uns gebührt es nicht zu sagen, dass Serbien wegen einem einzigen Mörder nicht mitspielen soll. Erinnern wir uns bitte an Deutschland: Einige wenige wurden nach 45 verurteilt, dann kam die Berliner Blockade, Wirtschaftswunder, Währungsreform, dann vergaß man es alles, bis die Prozesse Ende der 60er kamen. Und wir Tschechen sind überhaupt davongekommen. Wenn ich Isländer wäre, oder Däne, dann könnte ich jetzt große Töne spucken, über Kriegsverbrecher, aber wir? Nein.

Dann finden sie es auch nicht problematisch, dass Hashim Thaci, der Ministerpräsident des Kosovo, als zentrale Figur der kosovo-albanischen Mafia gilt, zumindest in den Akten des BND?

An diesem Aktenbefund besteht wenig Zweifel. Seit den 80er Jahren habe ich mit diesen Leuten zu tun, das war niemals eine Caritas Veranstaltung. Der Balkan steckt bis zum Ellebogen im Blut. Aber was hätten wir getan, wenn Jean Monnet und andere gesagt hätten, mit den Erbauern von Auschwitz können wir kein Europa aufbauen? Das war die Größe der damaligen Väter Europas, dass sie darüber hinausgedacht haben. Und wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Geschichte von Zeit zu Zeit Wahnsinn gebiert. Die allermeisten Schergen in den Gulags oder den KZs waren ja nicht immer schon Verbrecher. Es waren Schneider, Schuster, Förster, Postbeamte und Bauern, die einberufen wurden, und dort ihre Pflicht taten. Und niemand hätte danach geglaubt, wie viele Menschen sie auf dem Gewissen haben.

Würden sie nicht sagen, dass man 68 in Deutschland zu Recht auf die Barrikaden gestiegen ist? Dass es notwendig ist für ein Land, sich unter Schmerzen schonungslos mit der eigenen Vergangenheit zu konfrontieren und neu zu finden?

Ach, Gott, 68, bitte nicht übertreiben. Dieselben Leute, die sich darüber empört haben, dass ihre Väter Hitler nachgelaufen sind, sind später durch die Straßen marschiert, und haben „Ho-Ho-Ho Chi Minh“ gebrüllt, oder das rote Büchlein eines gewissen Mao Tse Tung geschwenkt, der mehr Blut an den Händen hatte als Hitler. Die sind genau denselben Demagogen aufgesessen wie ihre Väter. Wir finden uns nicht wieder. Wir bleiben die gleichen, bösartigen, fleischfressenden Affen, die wir schon in der Steinzeit waren.

Apropos: Russland. Haben ehemalige Ostblockländer wie Tschechien das Gefühl, Westeuropa betreibe Moskau gegenüber eine fahrlässige Appeasement-Politik?

Schon seit Preußen gilt in Deutschland die außenpolitische Maxime, mit Russland das bestmögliche Verhältnis zu pflegen. Weil schon Friedrich II. erlebt hat, was passiert, wenn man sich die Russen zum Feind macht. Der Rest Europas hält es ähnlich. Aber Russland ist wieder eine revisionistische Macht geworden und befindet sich im Retourmarsch zur Politik von Nikolaus I., man muss Moskau wieder Grenzen setzen.

Fühlen sie sich unter dem Schirm der EU vor dem russischen Imperialismus geborgen?

Unsere Sicherheit steht auf zwei Beinen. Was wirtschaftliche und soziale Sicherheit anbetrifft, zählen wir voll auf die EU. Was das militärische anbetrifft? Natürlich verlassen wir uns da nur auf das transatlantische Bündnis, denn in der Hinsicht hat Europa allein noch verdammt wenig anzubieten.

Kann jemand wie Obama denn Putin die Stirne bieten?

Das bleibt abzuwarten. Ich kann ihm nur raten, es nicht zu früh auszuprobieren. Er erinnert mich sehr an Kennedy. Der war auch wahnsinnig intelligent, jung und charismatisch. Dann kam die Begegnung mit Chruschtschow in Wien. Der fuhr zurück nach Moskau, hielt Kennedy für ein Leichtgewicht und schickte seine Raketen nach Kuba. Und ich hoffe, Obama geht es nicht genauso. Ich würde behaupten, dass die Ausbildung im KGB eine etwas intensivere Vorbereitung auf eine politische Karriere ist, als eine normale amerikanische Erziehung. Aber ich gebe zu, Obama ist eine interessante Präposition an die Weltpolitik, schauen wir, wie’s wird!

Als die Russen in Georgien einmarschiert sind, hat kaum ein europäischer Politiker so vehement protestiert wie sie. Haben da ihre schmerzhaften Erfahrungen mit dem kommunistischen Russland zu gefährlicheren Zeiten gesprochen?

Das weiß ich nicht, vielleicht. Wer in dieser Nacht zuerst losmarschiert ist, das weiß der liebe Himmel. Aber dass es die Absicht der Russen war, sich dort unten festzusetzen, daran besteht kein Zweifel. Ich war in der letzten Zeit manchmal gezwungen, recht deutlich gegenüber Russland zu werden. Dies war allerdings durch die manchmal unsäglichen Äußerungen einiger russischen Generäle verursacht und jetzt durch das Vorgehen in Georgien. Aber an sich sind mir die Russen sehr sympathisch, denn meine ersten Erlebnisse mit ihnen waren sehr positiv. Ich kann mich noch erinnern, wie ich als Kind mit den russischen Soldaten gespielt habe, die – wie alle Soldaten – zu Kindern furchtbar nett waren. Meine Mutter hatte ein paar Vorurteile, zumindest als die Soldaten mir einmal einen wunderschönen Revolver schenkten, im zarten Alter von acht Jahren, oder als sie mir beibrachten, wie man mit Handgranaten Fische fängt. Und so geht es vielen, die Russen als solche sind hierzulande gar nicht unpopulär. Und ich glaube die Gefahr, die momentan von ihnen ausgeht, ist auch nicht militärisch, sondern energiepolitisch. Das ist vielleicht der wichtigste Grund für eine effiziente EU-Energiepolitik.

Was, würden sie sagen, charakterisiert die politische Kultur in einem postkommunistischen Staat wie Tschechien?

Schwer zu beantworten. Ein totalitäres System beeinflusst den Menschen eben total, Anhänger, Mitläufer und auch Gegner. Das hat selbst das zwölfjährige NS-Regime in Deutschland getan, aber die Tschechen haben fast 50 Jahre im Totalitarismus verbracht. Generell würde ich sagen, hat es zu einem wesentlichen Verlust des Rechtsbewusstseins geführt. Recht war, was die Partei bestimmte. Das ist insgesamt die nachhaltigste Folge, die man heute noch in der Gesellschaft spürt.

Nach Jahren im Exil und dem späteren Mitwirken an der „sanften“ Revolution sitzen sie jetzt wieder am Verhandlungstisch mit den Kommunisten. Wie wickelt man mit seinen ehemaligen Widersachern das politische Tagesgeschäft ab, ohne ihnen pausenlos an die Gurgel springen zu wollen?

Wissen sie, in so einem Regime behält kaum jemand saubere Finger. Wenn man die Menschen und ihre Schicksale kennt, entwickelt man eine größere Toleranz. Und während das Nazi Regime zum Ende hin immer mörderischer wurde, war es hier genau umgekehrt. Bei den Kommunisten waren die mörderischsten Jahre die 50er, von da an wurden sie immer milder. Das heißt, als das Regime fiel, waren kaum mehr Mörder übrig. Der 29. Dezember 1989, als mein Freund Václav Havel Präsident wurde, das war der schönste Tag meines Lebens. Ich wusste: Jetzt ist dieser Alptraum in meinem Land endlich zu Ende. Ich bin jetzt wieder zu Hause. Ich habe das 20. Jahrhundert überlebt. Ich kann mir immer noch Butter aufs Brot schmieren. Ich sitze jetzt hier in der Wirtschaft und trinke Wein. Was soll’s!? Soll ich jetzt jammern, dass ich nicht mehr Milliardär bin, wie vor dem Krieg? So what?! Danken wir dem lieben Gott. Das ist alles.

Bis heute humpelt das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen etwas, vom deutsch-tschechischen Verhältnis sagten Sie hingegen kürzlich, es sei seit Jahrhunderten nicht mehr so gut gewesen wie heute. Was ist da passiert?

Ich glaube, wir haben uns auf beiden Seiten wirklich bemüht. Außerdem sind wir ehrlich, die Generation, die emotional besonders bewegt war, die eingesperrt und ins KZ gesteckt wurde, wie auch die Vertriebenen auf deutscher Seite, die ist ausgestorben oder schon scheintot. Und die Jüngeren waren alle selbst einmal in Deutschland und haben seitdem keine Vorurteile mehr.

Wie läuft die Zusammenarbeit auf politischer Ebene?

Sehr korrekt und anständig. Vor allem mit meinem Kollegen Frank-Walter habe ich mich immer gut vertragen. Aber seitdem er Kanzlerkandidat ist, sieht man ihn nicht mehr so oft, schade eigentlich. Wir haben immer viel diskutiert und herumgeblödelt.

Wäre Steinmeier ein guter Kanzler?

Ich weiß nicht, ob dafür sein Killer-Instinkt gut genug ist.

Angela Merkel hat einen „Killer-Instinkt“?

Na, wenn ich mich richtig erinnere, hat sie doch den einen oder anderen erlegt, den Koch, Stoiber oder Merz. Die Strecke passt, Respekt.

Dabei wird es ihr doch momentan vorgeworfen, zaghaft und zimperlich auf die Finanzkrise zu reagieren.

Ich glaube, sie macht es genau richtig. Nichts ist in so einer Situation schlimmer, als übereilt zu reagieren. Merkel hingegen hat einen kühlen Kopf bewahrt, das muss man ihr hoch anrechnen.

Und Steinmeier ist zu sanft?

Er kommt halt mehr aus einer Beamtenkarriere als aus einer politischen Karriere. Dass er sich trotzdem durchsetzen kann, hat er als Chef des Kanzleramts bewiesen, als er den armen Joschka Fischer weitgehend der Außenpolitik entkleidet hat. Aber ob er auch als Kanzlerkandidat diesen Biss haben wird, weiß ich nicht.

Welche Rolle spielt das Christentum in einem historisch laizistischen Staat wie Tschechien

Die Christen, eigentlich alle Gläubigen miteinander, sind hier eine große Minderheit. Die Lage ist vergleichbar mit ihren neuen Bundesländern, wir sind ein heidnisches Land geworden. Und mir steht nicht wirklich ein Urteil zu, aber die Linie der Kirche nach 1989 hier war nicht die glücklichste. Denn auch Rom hat das Land nicht wirklich verstanden, dafür muss man viel Zeit hier verbracht haben. Man versteht es ja schon in München oder Wien nicht, geschweige denn in Rom. Wir bräuchten eigentlich einen Heiligen, der hier missioniert. Aber selbst der heilige Adalbert - Vojtěch von Prag hat es vorgezogen, in Preußen den Märtyrertod zu sterben, als hier Bischof zu sein. Ich persönlich finde das vollkommen verständlich!

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Constantin Magnis

(www.cicero.de)



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