Český a slovenský zahraniční časopis  
     
 

Říjen 2009


Tschechien verbietet Gründung eines sudetendeutschen Vereins

Manfred Maurer

Prager Innenministerium stuft Einsatz für Versöhnung und Entschädigung für Vertriebene als verfassungswidrig ein. „Das ist ein Skandal erster Güte“, empört sich Wolfgang Habermann gegenüber dem VOLKSBLATT. Den vor 15 Jahren in seine Heimat nach Lußdorf bei Landskron zurückgekehrten Sudetendeutschen erzürnt ein Schreiben des Prager Innenministeriums, in dem ihm mitgeteilt wird, dass die Zulassung einer Vereinigung mit der Bezeichnung „Sudetendeutsche Landsmannschaft in Böhmen, Mähren und Schlesien“ verboten ist. Begründung: Die Satzungen des Vereins stünden mit der offiziellen Interpretation der Nachkriegsgeschichte nicht im Einklang. Das Ministerium kam zum Schluss, dass das tatsächliche Ziel der Vereinigung die „Absicht ist, die Verfassung und die Gesetze zu verletzen“.

Auch Tschechen im Gründungskomitee

Habermann, der 1945 als Einjähriger die Vertreibung und Enteignung der Sudetendeutschen aufgrund der Beneš-Dekrete nicht bewusst erlebt hat, versteht die Welt nicht mehr. Mit der Landsmannschaft hat er nichts Illegales im Sinn, sondern Völkerverständigung und Gerechtigkeit. „Das Grundziel ist die Unterstützung des Verständnisses unter Völkern, mit Betonung auf Verständnis zwischen Tschechen und Deutschen“, heißt es wörtlich in der Satzung. Dass hier kein deutschtümelnder Verein aus der Taufe gehoben würde, dürfte wohl durch die Tatsache gesichert sein, dass dem Gründungsgremium neben Habermann zwei Tschechen angehören: Jan Šinágl, ein Schweizer Staatsbürger, der in den 70er Jahren aus der damaligen Tschechoslowakei geflüchtet war, und Tomáš Pecina, ein in Prag lebender Physiker und Übersetzer. Auch Pecina versteht nicht, warum die Landsmannschaft verboten sein soll: „Das Innenministerium sagt, dass unser wahres Ziel die Verletzung von Verfassung und Gesetzen sei. Es erklärt aber nicht, welche konkreten Normen wir verletzen könnten.“ Dem Verein gehe es nur um die Erneuerung der friedlichen Koexistenz zwischen Deutschen und Tschechen.

Die Satzung enthält aber auch brisante Forderungen. In Punkt 6 werden die Beneš-Dekrete für unvereinbar mit den Prinzipien der EU erklärt. In Punkt 7 wird das Recht der Vertriebenen auf Schadenersatz anerkannt.

Beneš per Gesetz für sakrosankt erklärt

Eine kritische Sicht des Nachkriegspräsidenten Edvard Beneš und der von ihm erlassenen Dekrete ist in Tschechien zumindest offiziell noch nicht möglich. Schließlich hat das Parlament erst vor fünf Jahren die offizielle Sicht der Geschichte in einem Satz festgeschrieben: „Edvard Beneš hat sich um den Staat verdient gemach“, lautet ein extra erlassenes Gesetz. Trotzdem haben schon mehrere Tschechen ihr Interesse an einer Mitgliedschaft in der Landsmannschaft bekundet. „Es ist eben so, dass die offizielle Position nicht von allen Tschechen geteilt wird“, sagt Tomáš Pecina und hofft, dass eine Klage gegen das Verbot erfolgreich sein wird.

(Neue Volksblatt)



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